Inter­view über das Dreh­buch­stu­di­um mit Beli­ban zu Stol­berg

Beli­ban zu Stol­berg stu­diert seit 2015 an der DFFB Dreh­buch. Wäh­rend ihrer Stu­di­en­zeit wirk­te sie bei zahl­rei­chen Kurz- und Lang­fil­men sowie Seri­en mit. Noch in die­sem Jahr wird sie mit dem Dreh­buch „Das Tor“ ihr Stu­di­um abschlie­ßen. Der Stoff dreht sich um eine Künst­le­rin, die im selbst gewähl­ten Exil mit Hil­fe ihrer schöp­fe­ri­schen Bega­bung eine Schnitt­stel­le zum Jen­seits erschafft, um ihren toten Gelieb­ten zu errei­chen.  Auch neben ihrem Stu­di­um ist Beli­ban sehr aktiv: Im Jahr 2016 war sie Mit­glied im Jun­gen Ber­li­ner Rat des Maxim Gor­ki Thea­ters. Sie betei­lig­te sich an der künst­le­risch-poli­ti­schen Grup­pe und prä­sen­tier­te die gemein­sa­me Arbeit auf dem Herbst­sa­lon 2017. Auch wenn das Dreh­buch­schrei­ben ihre Pas­si­on ist, schreibt Beli­ban auch Dra­ma und Pro­sa. 2018 wur­de ihre Kurz­ge­schich­te „Pelz­land“ im Ach je Ver­lag ver­öf­fent­licht. Eine gekürz­te Ver­si­on der Geschich­te erschien außer­dem in der taz.

Im April 2019 hat Beli­ban für Stu­di­en­in­ter­es­sier­te eini­ge Fra­gen zum The­ma Dreh­buch im Hin­blick auf das Stu­di­um an der DFFB beant­wor­tet. Hier könnt ihr ihre Ant­wor­ten lesen:

 

Wel­che Stu­di­en­gän­ge sind geeig­net, um spä­ter als Drehbuchautor*in arbei­ten zu kön­nen?

In Deutsch­land gibt es meh­re­re staat­li­che Film­hoch­schu­len, die alle einen Stu­di­en­gang zu Dreh­buch anbie­ten. Es lohnt sich, etwas Recher­che zu betrei­ben, denn die Film­schu­len unter­schei­den sich nicht nur in Loca­ti­on, Auf­bau des Stu­di­ums und Form des Abschlus­ses, son­dern auch in ihrer fil­mi­schen Aus­rich­tung. So ist die Film­aka­de­mie Lud­wigs­burg zum Bei­spiel eher kom­mer­zi­ell aus­ge­rich­tet, wäh­rend auf der DFFB in Ber­lin der Fokus auf künst­le­ri­schem und poli­ti­schem Film liegt. Vie­le Film­hoch­schu­len bie­ten einen Tag der offe­nen Tür an, eine gute Gele­gen­heit, um die Schu­len ken­nen zu ler­nen und zu schau­en, wel­che am bes­ten zu einem passt.

Wenn man sich nicht nur für Film son­dern all­ge­mein fürs Sze­ni­sche Schrei­ben inter­es­siert, eig­net sich auch das Lite­ra­tur­in­sti­tut in Leip­zig oder Kunst­aka­de­mien, die den Stu­di­en­gang Sze­ni­sches Schrei­ben anbie­ten. Bei die­sen Stu­di­en­gän­gen ist die Aus­rich­tung aller­dings eher auf Thea­ter gelegt.

Grund­sätz­lich ist die Aus­bil­dung von Drehbuchautor*innen an einer Film­schu­le die bes­te Idee. Ein wich­ti­ger Bestand­teil der Aus­bil­dung sind die Pro­jek­te, die man mit ande­ren Stu­die­ren­den macht. Einer­seits schult das die eige­ne Schrei­be, ande­rer­seits knüpft man hier Kon­tak­te, die im bes­ten Fall übers Stu­di­um hin­aus bestehen.

Zur Fra­ge staat­lich ver­sus pri­vat: Die staat­li­chen Film­hoch­schu­len sind aner­kann­ter, weil die Auf­nah­me meist schwe­rer ist.

 

Über wel­che (Soft) Skills muss man ver­fü­gen, um als Drehbuchautor*in arbei­ten zu kön­nen (auch ohne Stu­di­um)?

Auf die­se Fra­ge wür­de ich mit 2 grund­le­gen­den Eigen­schaf­ten Ant­wor­ten: Einer­seits sind die hand­werk­li­chen Fähig­kei­ten des Geschich­ten­er­zäh­lens enorm wich­tig, ande­rer­seits geht es auch ganz viel um Soft Skills und Per­sön­lich­keits­merk­ma­le.

> Hand­werk­li­che Fähig­kei­ten

Im Stu­di­um geht es gera­de dar­um, die hand­werk­li­chen Fähig­kei­ten aus­zu­bil­den. Ich habe in mei­nem Dreh­buch­stu­di­um gemerkt, dass so gut wie jeder das Hand­werk des Dreh­buch­schrei­bens erler­nen kann. Es gibt hand­fes­te Din­ge, die man mit­be­kommt. Daher ist es in Ord­nung, vor dem Stu­di­um noch kein per­fek­tes Hand­werk zu besit­zen. Offen­heit, zu ler­nen, soll­te aber da sein.

Alle hand­werk­li­chen Fähig­kei­ten auf­zu­lis­ten, die Drehbuchautor*innen brau­chen, wür­de aus­ufern. Dazu ein paar Buch­emp­feh­lun­gen, in denen die wich­tigs­ten Din­ge ange­ris­sen wer­den: „Sto­ry“ von Robert McKee, „Save the Cat“ von Bla­ke Sny­der und „The Ana­to­my of Sto­ry“ von John Tru­by.

Mei­ne top 3 Skills sind: Visu­el­les Erzäh­len, Figu­ren mit kla­rem want & need, ein emo­tio­na­ler Kern.

> Soft Skills /​ Per­sön­lich­keits­merk­ma­le

Wer als Drehbuchautor*in im deut­schen Markt arbei­ten will, muss kol­la­bo­rie­ren kön­nen. Als Drehbuchautor*in ist man immer auf ande­re ange­wie­sen, sei­en es Regisseur*innen, Produzent*innen, Redakteur*innen.

Es kommt kaum vor, dass man ein genia­les Dreh­buch schreibt, dass genau so ver­filmt wird. Im Gegen­teil: Meist schreibt man meh­re­re Fas­sun­gen (von 2 bis 40 kann alles dabei sein), bis der Film tat­säch­lich gemacht wird. Dabei will jede*r mit­re­den. Gute Drehbuchautor*innen kön­nen kann sol­che Gesprä­che füh­ren.

Wich­tig ist also auch Kri­tik­fä­hig­keit. Man muss ler­nen, zwi­schen kon­struk­ti­ven und destruk­ti­vem Feed­back unter­schei­den zu kön­nen. Zwi­schen dem Buch und der eige­nen Per­sön­lich­keit muss genug Distanz ent­ste­hen, um Feed­back nicht per­sön­lich zu neh­men. Das kann mit­un­ter sehr hart sein, beson­ders, wenn einem der Stoff am Her­zen liegt. Ein dickes Fell ist also von Vor­teil.

Dazu gehört auch Kom­mu­ni­ka­ti­ons­fä­hig­keit und sich in Men­schen ein­füh­len zu kön­nen. Manch­mal kann man das Feed­back näm­lich getrost igno­rie­ren und soll­te dem Gegen­über trotz­dem das Gefühl geben, man respek­tiert sei­ne Mei­nung und sei­ne Sicht auf den Stoff.

Aus­dau­er und Zähe sind wich­tig. Meis­tens schreibt man zehn Pro­jek­te und eins davon klappt. Dabei kann es sogar so weit gehen, dass man alle Pro­jek­te in Dreh­buch­form bringt. Es dau­ert manch­mal Jah­re, bis ein Dreh­buch umge­setzt wird. Oder man knüpft über ein Pro­jekt einen Kon­takt, doch dann wird aus der Umset­zung nichts und das Buch lan­det wie­der in der Schub­la­de. Dafür hat man den Kon­takt gewon­nen und kann even­tu­ell etwas ande­res umset­zen. Man muss die­sen lan­gen Atem mit­brin­gen.

Das ist ein wich­ti­ger Punkt für die Ent­schei­dung für die­sen Beruf: Manch­mal muss man mona­te- oder jah­re­lang am Ball blei­ben, ohne dass etwas Tol­les klappt. Man muss mit Rück­schlä­gen umge­hen kön­nen und immer wie­der auf­ste­hen.

Da man als Drehbuchautor*in auch Autor*in ist, soll­te man Eigen­schaf­ten von Autor*innen mit­brin­gen. Zum Bei­spiel eine gewis­sen Sen­si­bi­li­tät für ande­re Men­schen. Empa­thie ist hilf­reich, um Figu­ren zu schrei­ben, die weit von einem selbst ent­fernt sind. Eine Offen­heit für die Welt und ihre Abgrün­de oder Absur­di­tä­ten. Wider­sprü­che erken­nen und aus­hal­ten kön­nen. Nach mei­ner per­sön­li­chen Mei­nung ist es auch gut, eine gewis­se Amo­ra­li­tät mit­zu­brin­gen – oder wenigs­tens eine Offen­heit für Moral­vor­stel­lun­gen, die von der eige­nen abwei­chen.

Drehbuchautor*innen neh­men die Welt um sich her­um auf und ver­ar­bei­ten sie durch ihr Schrei­ben. Im bes­ten Fall machen sie damit Din­ge sicht­bar, die wir im All­tag über­se­hen, unbe­wusst aber wahr­neh­men. Sie kön­nen uns neue Per­spek­ti­ven auf kom­ple­xe Din­ge oder Dilem­ma­ta auf­zei­gen.

 

Wie sieht der Arbeits­markt aus?

Ange­stell­ten­ver­hält­nis­se gibt es so gut wie nie. Selb­stän­dig­keit ist die Norm. Dabei kommt es abso­lut dar­auf an, was für Dreh­bü­cher man schreibt.

Wer Kino machen will, ist auf gute Bezie­hun­gen zu Pro­duk­ti­ons­fir­men und Regis­seu­ren ange­wie­sen. Da gibt es eine kom­ple­xe För­der­land­schaft in Deutsch­land, über die sich eini­ge Drehbuchautor*innen finan­zie­ren. Nur fürs Kino arbei­ten aber die wenigs­ten. Meist kommt Fern­se­hen dazu. Auch hier gibt es rie­si­ge Unter­schie­de. Bei den zahl­rei­chen Vor­abend­se­ri­en (Rote Rosen, die Jun­gen Ärz­te, …) gibt es mehr Jobs als zum Bei­spiel bei dem umkämpf­ten Tat­ort-For­mat. Seri­en bie­ten auch ein kon­stan­te­res Ein­kom­men.

Ich ken­ne vie­le Drehbuchautor*innen, die neben­bei als Dozent*innen oder Lektor*innen arbei­ten, um sich ihr Ein­kom­men zu sichern.

Der Arbeits­markt ist auf jeden Fall sehr umkämpft. Es gibt vie­le Drehbuchautor*innen. Aber es gibt auch rela­tiv vie­le Jobs, weil viel Con­tent erstellt wird.

Dabei muss man sich auch hier klar machen, das alle an die tol­len, inter­es­san­ten Jobs wol­len. Alle wol­len Kino­fil­me machen oder für Net­flix arbei­ten! Die Chan­cen, dass man dort unter­kommt, sind sehr klein, beson­ders am Anfang.

 

Vor­bil­der (Dan Har­mon): Inspi­ra­ti­on vs. Nach­ah­men

Vor­bil­der sind toll und wich­tig. Wenn man schon eins hat, ist man auf einem guten Weg. Es ist eine gute Idee, sich den Wer­de­gang sei­ner Vor­bil­der genau anzu­se­hen und dar­aus Schlüs­se fürs eige­ne Leben zu zie­hen.

Die Gefahr des Nach­ah­mens sehe ich nicht, man schreibt ja nichts eins zu eins ab, son­dern lässt sich inspi­rie­ren. Dabei wird man die Geschich­ten immer mit eige­nem Leben fül­len.

Zu Dan Har­mon spe­zi­fisch, ein guter Geschich­ten­er­zäh­ler! (Trotz #metoo). Man soll­te sich aber ganz klar machen, dass der Markt in Deutsch­land anders funk­tio­niert als in Ame­ri­ka. In den USA gibt es viel mehr Geld in den ver­schie­de­nen Armen der Film­pro­duk­ti­on, sodass ein For­mat wie Rick&Morty über­haupt ent­ste­hen kann und Gewinn macht. Da der Markt in Deutsch­land wesent­lich klei­ner ist, set­zen vie­le Redak­tio­nen auf alt­be­währ­tes. Gera­de die Fern­seh­sen­der sind da im Zwang, Quo­ten zu bekom­men, und da eher älte­re Men­schen Fern­se­hen schau­en, macht man eben das, wor­an sie gewöhnt sind.

Wenn du dich eher für frei­er Stof­fe und Come­dy inter­es­sierst, eig­nen sich neue For­men der Aus­wer­tung. Es gibt vie­le Webse­ri­en, die ganz eige­ne Wege gehen. Die­se sind dann in der Finan­zie­rung oft klei­ner, dadurch aber auch weni­ger abhän­gig. Eine Platt­form, die sich gera­de zu eta­blie­ren ver­sucht, ist funk. Die stel­len jun­gen Con­tent her und sind viel offe­ner für Neu­es als die Sen­der.

Zum Sen­der auch noch eine Anmer­kung: Je klei­ner, des­to mehr Frei­heit. Etwa TNT, die so etwas Neu­es wie 4 Blocks machen konn­ten.

So, das mal als gro­ben Über­blick. Man sieht schon, das The­ma ist sehr weit­läu­fig. Der Beruf von Drehbuchautor*innen ist wun­der­bar und gleich­zei­tig anstren­gend und schwie­rig. Es lohnt sich aber, mei­ner Mei­nung nach, abso­lut. Vor allem, wenn man wirk­lich dafür brennt. Wenn ich dir eins mit­ge­ben kann: Schrei­ben, schrei­ben, schrei­ben. Egal, wie gut oder schlecht man ist. Ein­fach wei­ter­ma­chen.