Regie

Regie – das heißt: Ver­füh­rung zur Auf­merk­sam­keit.

Filmische Verfahren bestimmen heute unseren Alltag, aber so selbstverständlich die audiovisuelle Alphabetisierung inzwischen ist, so brüchig sind die Medienpraxen Kino und Fernsehen oder auch die Formate „Spielfilm/Dokumentarfilm” geworden. Eine akademische Ausbildung auf dem Feld des audiovisuellen Erzählens ist damit wichtiger denn je, aber sie lässt sich nur rechtfertigen, wenn sie sich als Forschung für den Film der Zukunft versteht und eine „Theorie der Praxis” betreibt.

Unter „Theorie der Praxis” verstehen wir die Reflexion künstlerischer Mittel als parallele Bewegung einer experimentellen Praxis. Die Theorie soll dabei nur gelegentlich vorauseilen; nach unserer Auffassung ist es entscheidend, Anschauung und Beschreibung so zu verschränken, dass sie stets in Berührung bleiben mit den Kernfragen künstlerischer Produktion: Warum erzählen? Und also: Wie erzählen? Was bedeutet die eigene Geschichte?

 

Das Ziel der Ausbildung

Das Ziel der Ausbildung ist die transparente Vermittlung filmischer Mittel, die es den Studierenden erlaubt, in der Fülle der Möglichkeiten und etablierten Erzählformen einen eigenen, persönlichen Zugriff zu entwickeln – die eigene Stimme zu finden, aber eben auch zu verstehen, welche Rolle sie im Chor gesellschaftlicher Begriffsbildung spielt.

Im ersten und zweiten Jahr gruppieren sich dabei alle Lehrveranstaltungen und Seminare um praktische Filmübungen. In intensiver Zusammenarbeit sollen die Studierenden – anhand überschaubarer Aufgaben – einen Begriff sowohl des Mediums selbst als auch ihrer Rolle im Gefüge entwickeln. Modell ist dabei nicht der/die Spezialist:in, sondern der/die vielseitige Filmemacher:in, dessen/deren künstlerische Schwerpunkte aus der Breite seines/ihres Wissens erwachsen, die sich dann im dritten und vierten Jahr – anhand größerer Aufgaben – voll entfalten können.

 

Was ist Regie?

Die Fähigkeit, „die Welt entlang der eigenen Leidenschaft zu zähmen”, wie Frieda Grafe einmal geschrieben hat, und also eine Tätigkeit, Lebendiges und Unbelebtes, Erfahrung und Erfindung, Körper und Talente Anderer in einen Zusammenhang zu bringen, in dem die eigene Welterfahrung aufgehoben ist und zugleich erlebbar wird für Dritte.

Regie heißt damit letztlich: Regie des/der Zuschauer:in, aber nicht im Sinne einer direkten Kommunikation – ein Film ist eben keine Mitteilung – sondern als Verführung zur Aufmerksamkeit. Ein Film darf sich nicht schon im Drehbuch oder auf der Leinwand vollenden, er muss in der Wahrnehmung konkret werden, im Kopf der Zuschauer:innen.

Regie setzt viele Talente voraus, die nicht gelernt werden können. Was sich lernen und lehren lässt, sind Techniken, die sich historisch als brauchbar erwiesen haben, Handwerk: In der Stoffentwicklung, in der Arbeit mit Schauspieler:innen, in der Grammatik des visuellen Erzählens, im Schnitt usw. Was sich weiterhin organisieren lässt, ist die Begegnung mit Filmgeschichte als Testament der Regellosigkeit und Steinbruch der Ideen: nicht akademisches Wissen steht im Mittelpunkt, sondern die Neugier des Diebes. Drittens kann man das kommunikative – und solidarische – Miteinander befördern, etwa, indem man die Studierenden in den Schuhen anderer Gewerke wandeln lässt.

 

Christoph Hochhäusler